Ein Europäischer Sicherheitsrat (ESR) werde, so die Vorstellung der Bundesregierung, die Europäische Union (EU) in der internationalen Politik entscheidungsbereiter und damit handlungsfähiger machen. Gelinge es der EU und ihren Mitgliedstaaten nicht, zügiger kohärente Beschlüsse zu fassen und umzusetzen, schwänden ihre Fähigkeiten, europäischen Regelwerken (weiter) Geltung zu verschaffen und multilaterale Formate zu stärken. Daher müssten die diplomatischen, finanziellen und militärischen Ressourcen der EU-27 um ein Format ergänzt werden, in dem die zwischenstaatliche Kooperation besser funktioniere. Diese Idee wird jedoch nur dann Gestalt annehmen können, wenn die Bundesregierung darlegen kann, welchen Mehrwert ein solches Gremium erbringt, und wenn sie selbst mehr außenpolitischen Gestaltungswillen im EU-Rahmen zeigt.
The European Union has been negotiating a new free trade agreement (DCFTA) with Tunisia since 2016, seeking to expand mutual market access for all goods, and also services and investments. But great obstacles remain to be overcome. The EU hesitates to grant concessions on agriculture that would make a deal attractive to Tunis, while overall resistance exists within Tunisian civil society, business and politics. A shrewd agreement could promote economic modernisation and growth, to strengthen and stabilise Tunisia’s young democracy. That is obviously also in the EU’s interest. But substantial progress cannot be expected until after elections to the European Parliament and parliamentary and presidential elections in Tunisia in late 2019. The intervening period should be used to generate a broader consensus in Tunisia and to enable Tunis to create a negotiating strategy of its own.
Dank des Engagements Indiens hat die Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation (BIMSTEC) seit 2016 einen neuen Aufschwung erfahren. Indien hofft zum einen, durch eine Intensivierung der regionalen Kooperation den schwer zugänglichen Nordosten des eigenen Landes besser entwickeln zu können. Zum anderen will es in Anbetracht der Investitionen der chinesischen Belt and Road Initiative in den Nachbarstaaten seinen Führungsanspruch in der Region untermauern. Aus internationaler Perspektive ist BIMSTEC ein wichtiger Baustein der indischen »Act East«-Politik im Kontext der neuen Bedeutung des Indo-Pazifischen Raums. Mit der Unterstützung von BIMSTEC können Deutschland und die Europäische Union (EU) ihre strategische Partnerschaft mit Indien vertiefen und zugleich ihre Sichtbarkeit im Golf von Bengalen erhöhen.
Germany continues to be a major exporter of both goods and capital. In 2018, the current account surplus – at about $340 billion – will continue to be the world’s largest. Whilst German policy-makers and society celebrate the surpluses as the result of the competitiveness of German companies, they persistently ignore the other side of the balance of payments. Germany finances consumption and investment – abroad. The repeated explanations of the German government – arguing that the surpluses reflect private decisions that cannot be influenced by government policy – are not convincing. The German government has many options to reduce or raise taxes and can shape incentives to save or invest, but prefers to ignore these opportunities. Whilst many German observers eagerly point to the self-interested economic policies of the United States, Germany itself continues to place its own interests above the legitimate concerns of both its European and Atlantic partners. A continuation of the “Germany First” economic policies of the past two decades would constitute both a burden for European integration and the global trading system.
Präsident Trump will den Vertrag über das Verbot landgestützter Mittelstreckensysteme (INF) von 1987 kündigen. Dessen Ziel war es, den nuklearen Stationierungswettlauf der USA und der damaligen Sowjetunion in Europa zu beenden. Trump begründet seine Absicht damit, dass Russland den Vertrag verletzt habe. Moskau bestreitet dies und wirft seinerseits Washington Vertragsbruch vor. Laut Trump gefährde auch Chinas INF-Potential die strategische Stellung der USA. Washingtons unilaterales Handeln widerspricht jüngsten Positionen der Nato. Sollten die Vereinigten Staaten den INF-Vertrag verlassen, würde ein weiterer Eckpfeiler der europäischen Sicherheitsordnung und der globalen nuklearen Ordnung kollabieren. Unberechenbarkeit und Destabilisierung würden zunehmen. Europa muss der Gefahr eines neuen nuklearen Wettrüstens entschieden entgegentreten. Es sollte darauf bestehen, gegenseitige Anschuldigungen transparent und kooperativ zu verifizieren und, wenn nötig, zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen zu vereinbaren, um den Vertrag zu erhalten oder die Folgen der Aufkündigung zu begrenzen.
Die moderne Diplomatie ist mit fundamentalen Veränderungen konfrontiert, die in beispielloser Geschwindigkeit auf sie einstürmen: Technische Entwicklungen, insbesondere die Digitalisierung, wirken sich darauf aus, wie sie agiert. Es treten auf nationaler wie internationaler Bühne immer mehr Akteure auf, deren Tätigkeit die Diplomatie berührt; dabei geraten zunehmend auch innenpolitische Politikfelder auf die außenpolitische Agenda. Die Öffentlichkeit sensibilisiert sich für solche Fragen und strebt über soziale Medien oder andere Plattformen nach Einfluss auf die Diplomatie. Zwischenstaatlicher Austausch nimmt ebenso zu wie die innerstaatliche Interdependenz von Regierungshandeln. Inwieweit kann Diplomatie dann noch als legitime Repräsentantin einer in sich schlüssigen Außenpolitik wahrgenommen und entsprechend effektiv tätig werden? Nicht zuletzt ändern sich als Erstes die Ansprüche an Qualifikation und Persönlichkeitsprofil des diplomatischen Korps. Diese Tendenzen, allesamt Ausdruck allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen, wird die Diplomatie verarbeiten und in Regierungshandeln übersetzen müssen.
Vier Bereiche sind dafür ausschlaggebend:
1. das Spannungsverhältnis zwischen individuellen Befindlichkeiten und staatlichen Erfordernissen, das ohne Nachteil für den Staat zu nutzen ist;
2. ein Einsatz der Digitalisierung, der so erfolgt, dass die Gewinne an Effizienz nicht zu Lasten der Effektivität gehen;
3. neue Formate des Interessenausgleichs, die es Regierungen erlauben, unter Einbindung von Einfluss und Potenzial anderer Akteure immer noch als souveräne Staaten tätig zu werden;
4. neue Formen offener staatlicher Tätigkeit, die dem emotionalisierten Ausdruck von Teilhabewünschen gerecht werden, ohne die Prinzipien repräsentativer Demokratie preiszugeben.
Modern diplomacy is currently experiencing fundamental changes at an unprecedented rate, which affect the very character of diplomacy as we know it. These changes also affect aspects of domestic and international politics that were once of no great concern to diplomacy. Technical developments, mainly digitization, affect how the work of the diplomat is understood; the number of domestic and international actors whose activity implicates (or is a form of) diplomacy is increasing; the public is more sensitive to foreign policy issues and seeks to influence diplomacy through social media and other platforms; the way exchange between states, as well as the interchange between government and other domestic actors, progresses is influencing diplomacy’s ability to act legitimately and effectively; and finally, diplomats themselves do not necessarily need the same attributes as they previously did. These trends, reflecting general societal developments, need to be absorbed by diplomacy as part of state governance.
Ministries of Foreign Affairs, diplomats and governments in general should therefore be proactive in four areas:
1. Diplomats must understand the tension between individual needs and state requirements, and engage with that tension without detriment to the state.
2. Digitization must be employed in such a way that gains in efficiency are not at the expense of efficacy.
3. Forms of mediation should be developed that reconcile the interests of all sides allowing governments to operate as sovereign states, and yet simultaneously use the influence and potential of other actors.
4. New and more open state activities need to be advanced that respond to the ways in which emotionalized publics who wish to participate in governance express themselves.
Die EU verhandelt seit 2016 mit Tunesien über ein neues Freihandelsabkommen (DCFTA). Es soll nicht nur beidseitigen Marktzugang für alle Güter ermöglichen, sondern auch für Dienstleistungen und Investitionen. Doch die Hürden für das Abkommen sind hoch. Der EU fällt es schwer, Konzessionen im Agrarsektor zu machen, die für Tunis attraktiv sein könnten. Zudem gibt es Widerstände in Tunesiens Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik. Ein klug ausgehandeltes Abkommen könnte indes die wirtschaftliche Modernisierung und das Wachstum in Tunesien fördern. Dadurch würde die junge Demokratie gestärkt und das Land stabilisiert, was auch im Interesse der EU liegt. 2019 finden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Tunesien und Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Bis dahin sind keine Fortschritte zu erwarten. Die verbleibende Zeit sollte genutzt werden, um in Tunesien einen breiteren Konsens für Verhandlungen herbeizuführen und Tunis zu befähigen, eine eigene Verhandlungsstrategie zu konzipieren.
Der sogenannte Einheitliche Wahltag am 9. September 2018, an dem in 22 Regionen Russlands neue Gouverneure gewählt wurden, brachte einige Überraschungen. In vier Regionen erreichten die vom Kreml unterstützten Kandidaten keine Mehrheit. Unmut über die wirtschaftliche Stagnation und die höchst unpopuläre Rentenreform schlägt sich in diesem Ergebnis nieder. Der Teilerfolg der Systemopposition, die die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage stellt und nur moderate Kritik am Kreml übt, stellt keine Bedrohung für die Stabilität der russischen Führung dar. Und doch wird der unerwartete Wahlerfolg Konsequenzen für das politische System Russlands haben: Der Kreml wird seine Strategien des Machterhalts noch verschärfen.
Nuclear deterrence is back. Of course, it had never disappeared, but retreated into the background as a hedge against future uncertainties. Hopes of overcoming the deterrence system through nuclear disarmament have been dashed. Nuclear deterrence gains new importance in the era of great power competitions. Arms control is stagnating, even eroding, and the modernisation of nuclear arsenals is progressing.
Through nuclear sharing arrangements within the North Atlantic Treaty Organization (NATO), Germany is involved in nuclear deterrence. This includes the ability to deliver American nuclear bombs stored in Germany. So far, this has been ensured by nuclear-capable Tornado fighter bombers, due to be replaced in the foreseeable future.
Against this background, nuclear deterrence and its strategic, legal, ethical, and political problems and dilemmas are assessed in this research paper. The focus is on US deterrence policy and its role in the Western alliance. This analysis of nuclear deterrence and its problems and dilemmas is intended to provide a basic orientation for the new nuclear debate that is emerging.
Russia’s recent Vostok-2018 military exercises, in which China’s People’s Liberation Army (PLA) participated for the first time, were another milestone in the increasingly close defense relationship between the two countries. Only a few years ago, Russia used these and other exercises to prepare its forces for the possibility of war with China. Now, at a time of strain in both countries’ relations with the West, China’s participation is a sign of the value that both sides attach to their relationship. The two countries are not about to form a military alliance, but their growing defense cooperation is likely to have a significant impact on global politics in the coming years.
Kuba hat seit April 2018 einen neuen Präsidenten und zum ersten Mal seit der Revolution trägt er nicht den Namen Castro: Mit Miguel Díaz-Canel Bermúdez ist der lang angekündigte Generationswechsel vollzogen worden. Eine grundsätzliche Neuorientierung der kubanischen Innen- und Außenpolitik ist damit jedoch nicht verbunden. Die Fortführung der Revolution steht nicht zur Debatte, aber Kuba will sich modernisieren und an veränderte Realitäten anpassen. Sichtbarster Ausdruck davon ist ein Verfassungsreformprozess, mit dem eine Anerkennung des Privateigentums und eine Erneuerung institutioneller Regelungen verbunden ist. In dem Entwurf werden neue machtpolitische Weichenstellungen und die Bereitschaft erkennbar, die Reformpolitik vorsichtig weiterzutreiben. Doch das Verhalten gegenüber der Opposition scheint sich kaum zu ändern. Entscheidend für die zukünftige Entwicklung wird sein, ob Díaz-Canel sich eine größere Unabhängigkeit von der im Hintergrund immer noch präsenten Castro-Dynastie verschaffen kann.
Jair Messias Bolsonaro, the former army captain and recently elected Brazilian president from the Social Liberal Party (PSL) with the campaign slogan “Brazil above everything; God above everyone”, is a paramount example of the linkage between politics and Evangelical values, interests, and actors in Latin America: In May 2016, Bolsonaro was baptised in the Jordan River by Pastor Everaldo Pereira, a prominent leader of the Assembly of God church and the head of the Social Christian Party (PSC); pictures and videos of the ceremony were circulated on the internet. Bolsonaro counted on the support of the Evangelical Parliamentary Front of the National Congress, comprising 199 deputies with diverse party affiliations and 60 percent of the Evangelical electorate’s voting intention for the electoral run-off. Edir Macedo, founder of the Universal Church of the Kingdom of God and owner of the second largest media network in Brazil, endorsed Bolsonaro’s candidacy and broadcasted a favourable interview with him on his TV programme. In Latin America, candidates with conservative-value agendas and strong positions on authority and order as well as against crime and corruption are especially attractive to the rapidly growing number of Evangelical churches and believers in the region. At the same time, they have become an important target group of politicians of different parties searching for support.
The Kurds in the Middle East have become significant political and military actors in the context of the fight against IS. One of the most important consequences of this situation has been the transformation of the Kurdish Question. Frustrated with the largely fruitless efforts to achieve equal rights and equal political footing in the countries where they reside, Kurdish parties have tended to change their perceptions and strategies. There is a remarkable shift under way: from the fight for “justice, freedom and equality inside a given nation state” to the “defence of Kurdistan” as a political territory. Therefore, a fragmented approach towards the Kurdish Question as a domestic issue of national concern is not realistic anymore. Developments in the Kurdish landscape require a review of the conventional stance and a comprehensive solution in order to balance competing interests and cope with the evolving challenges in the Middle East.