Wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit will US-Präsident Donald Trump Soldaten aus Afghanistan zurückholen. Seine Ankündigung, die Truppen bereits bis Mitte Januar auf 2500 Soldaten zu verkleinern, hat die Nato in Aufruhr versetzt. Denn zum einen hängen die Verbündeten am Hindukusch von amerikanischer Unterstützung ab, zum anderen hat ein überstürzter Rückzug – so schätzt es auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ein – Signalwirkung für die laufenden Friedensverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban.
Die prinzipielle Dynamik des Afghanistan-Engagements der Allianz konnte auch das Treffen der Nato-Außenminister Anfang Dezember kaum verändern. Zwar betonten die Bündnispartner ihre Beteiligung an der Ausbildungsmission und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen die Aufständischen. Stoltenberg machte bei der Gelegenheit aber deutlich, dass die Bündnispartner im nächsten Jahr vor einer Entscheidung ständen: ob sie in Afghanistan bleiben und riskieren, dass die Kämpfe fortgesetzt werden, oder ob sie das Land verlassen und riskieren, dass es wieder zu einem Rückzugs- und Rekrutierungsort für islamistische Terroristen wird. Damit trug er dem unübersehbaren Momentum in Richtung eines endgültigen Truppenabzugs vom Hindukusch Rechnung. Zugleich wies er die USA auf ihre Schlüsselstellung für den Zeitplan und die Modalitäten des Einsatzes hin.
Die skizzierte Entscheidung wollen die NATO-Verteidigungsminister im Februar treffen. Sie müssen dabei berücksichtigen, dass die Regierung Trump den Aufständischen bereits einen vollständigen Truppenabzug zum Ende April in Aussicht gestellt hat. Zwar hängt dies von den Verhandlungen in Doha ab und der ab dem 20. Januar amtierende Präsident Joe Biden ist an diese Zusage nicht gebunden, aber eine substantielle Aufstockung der US-Truppen ist angesichts der in den USA weit verbreiteten Afghanistan-Müdigkeit unrealistisch. Damit ist wahrscheinlich, dass der Nato-Einsatz im ersten Halbjahr 2021 beendet wird.
Die Sicherheit in Afghanistan ist im Interesse DeutschlandsDeutschland ist nun seit zwei Jahrzehnten militärisch in Afghanistan aktiv. Der Einsatz hat die Bundeswehr nachhaltig geprägt: Er steht heute sinnbildlich für das veränderte Aufgabenspektrum der Streitkräfte mit großformatigen Stabilisierungseinsätzen. Auch wenn viele Berliner Entscheidungsträger darüber erleichtert sein werden, dass der Einsatz endet, bleibt die dortige Sicherheitslage für Deutschland bedeutend. Drei Gründe sprechen für ein weiteres sicherheitspolitisches Engagement am Hindukusch:
Erstens der Terrorismus: Der afghanische Zweig des IS, der »Islamische Staat Khorasan«, ist an den Friedensverhandlungen nicht beteiligt und reklamiert zahlreiche Attentate für sich. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen befinden sich etwa 2200 IS-Kämpfer in Afghanistan. Dann ist da, zweitens, noch die Geopolitik: Als Nachbar verfolgt China eine Reihe sicherheitspolitischer Interessen in Afghanistan und betrachtet das Land als Austragungsort geopolitischer Rivalitäten mit dem Westen. Drittens verursacht die Sicherheitslage im Land Fluchtbewegungen. Weltweit sind rund 2,7 Millionen afghanische Flüchtlinge registriert. Afghanistan stellt im Jahr 2020 bislang die drittgrößte Zahl von Asylbewerbern in Deutschland.
Kurzfristig muss nun erst einmal der sichere Abzug der Bundeswehr geplant und eingeleitet werden. Es wird hier auf eine enge Abstimmung mit der Nato und der US-Armee ankommen, auf deren Fähigkeiten die deutschen Streitkräfte angewiesen sind. Der Deutsche Bundestag sollte für diesen letzten Akt des deutschen Einsatzes am Hindukusch ein neues Mandat beschließen. Das aktuelle läuft Ende März ab und wird den Besonderheiten des Abzuges nicht gerecht. Die Verantwortung für die Sicherheit des Landes wird dennoch mittel- bis langfristig zentrale Aufgabe deutscher Außenpolitik bleiben – selbst ohne die Nato-Mission.
Afghanistan steht am ScheidewegMittelfristig könnte Afghanistan Eckpfeiler einer neuen Sicherheitsarchitektur in der Region werden: Russland, Iran, Pakistan, Indien und China bemühen sich um Einfluss im Land. Dabei zeigen sie kein großes Interesse an »Nation Building«, sondern suchen pragmatische Lösungen zur Sicherung von Transitrouten für Energieträger und Handelsgüter sowie im Kampf gegen organisierte Kriminalität und länderübergreifenden Terrorismus. Es liegt auch im Interesse aller Regionalmächte, den Einfluss des IS einzudämmen. Eine relativ stabile Sicherheitslage würde zudem die Flüchtlingszahlen in der Region reduzieren.
Vor diesem Hintergrund wäre es ein Fehler westlicher Politik, diesen geopolitisch bedeutenden und daher umstrittenen Raum anderen Akteuren zu überlassen. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass diese Mächte ihre Rivalitäten zum Nachteil Afghanistans in dessen Gebiet verlegen. Zudem steht für keinen dieser Staaten der Einsatz für Menschenrechte, Gleichberechtigung oder Rechtsstaatlichkeit im Mittelpunkt seiner Regionalpolitik – Anliegen, die westlicher Afghanistan-Politik immer wichtig gewesen sind. Die USA, Nato, EU und Deutschland haben ein Interesse an der politischen Stabilität des Landes – und daran, die in den vergangenen knapp zwanzig Jahren gemachten Fortschritte zu erhalten. Ein Abzug ohne eine sicherheitspolitische Bindung Kabuls an den »Westen« wäre eine vergebene Chance. Dass Afghanistan jüngst ein offizielles Partnerland der Nato geworden ist, weist in die richtige Richtung. Es sollte vor allem darum gehen, die erzielten militärischen Fortschritte weiter zu begleiten und beratend zur Verfügung zu stehen. Eine begrenzte Nato-Präsenz in Form von Beraterteams für die afghanische Regierung und die militärische Führung wäre ein deutliches Zeichen des kontinuierlichen Engagements.
A culture war is being waged in Israel: over the identity of the state, its guiding principles, the relationship between religion and the state, and generally over the question of what it means to be Jewish in the “Jewish State”.
The Ultra-Orthodox community or Haredim are pitted against the rest of the Israeli population. The former has tripled in size from four to 12 percent of the total since 1980, and is projected to grow to over 20 percent by 2040. That projection has considerable consequences for the debate.
The worldview of the Haredim is often diametrically opposed to that of the majority of the population. They accept only the Torah and religious laws (halakha) as the basis of Jewish life and Jewish identity, are critical of democratic principles, rely on hierarchical social structures with rabbis at the apex, and are largely a-Zionist.
The Haredim nevertheless depend on the state and its institutions for safeguarding their lifeworld. Their (growing) “community of learners” of Torah students, who are exempt from military service and refrain from paid work, has to be funded; and their education system (a central pillar of ultra-Orthodoxy) has to be protected from external interventions. These can only be achieved by participation in the democratic process.
Haredi parties are therefore caught between withdrawal and influence. Whilst protecting their community, they try to both combat tendencies that run counter to their conception of Jewishness as “defenders of the Jewish character of the state”, and to gain more importance within state and society for principles of religious law. This impetus to shape affairs is recent.
The Haredim are changing both state and society, and they in turn are changed by them. Responses from within the community to this fact range from calls for isolation to those for integration within the state to those for taking it over.
For Israel’s international partners, the Haredim’s growing influence will necessarily mean more negotiation, especially where liberal and emancipatory issues are at stake.
Candida Splett: Reiche Staaten sorgen über Abnahmegarantien und Vorkaufsrechte dafür, dass ihre Bevölkerungen zuerst geimpft werden. Damit ist ein großer Teil der absehbar vorhandenen Impfdosen bereits verteilt. Der selbst erhobene Anspruch, Impfstoffe global fair zu verteilen, läuft ins Leere. Wie erklären Sie sich das?
Maike Voss: Staaten müssen unterschiedliche Interessen balancieren. Der Schutz der eigenen Bevölkerung steht dabei an erster Stelle. Deutschland will außerdem dem deutschen Unternehmen BioNTech Gewinne sichern. Und dann geht es auch um die moralisch-rechtliche Selbstverpflichtung, den Impfstoff als globales Gut zu behandeln, das für alle Menschen weltweit und unabhängig von ihrer Kaufkraft zugänglich ist. Außenpolitisch hat man sich dafür stark gemacht. Innenpolitisch aber wird das nicht mitgetragen, da geht es vor allem um die eigene Bevölkerung.
Wieso kann man nicht genug Impfstoff für alle produzieren?
Das liegt daran, dass die traditionellen Verfahren in der Forschungsförderung, Produktentwicklung und im Patentsystem dafür sorgen, dass nur die Unternehmen, die den Impfstoff entwickeln, ihn auch produzieren bzw. am Ende vermarkten dürfen. Durch dieses System werden Produktion und Vertrieb künstlich begrenzt.
Wie können Staaten hier Abhilfe schaffen?
Costa Rica hat schon frühzeitig vorgeschlagen, einen von der WHO koordinierten, freiwilligen »Covid-19 Technology Access Pool« einzurichten. Dort würden Daten zu medizinischen Behandlungen und Impfstoffen gesammelt und geistige Eigentumsrechte gebündelt. Bisher wollen sich etwas mehr als 40 Länder beteiligen, das sind allerdings Länder mit eher niedrigem Einkommen und geringen Produktionskapazitäten. Damit das Verfahren funktioniert, müssten sich Pharmaunternehmen beteiligen, die freiwillig ihre Patente in den Pool geben, und möglichst viele Staaten mit großen Produktionskapazitäten. Dann könnten Impfstoffe, Medikamente und Diagnostika kostengünstig, in großem Umfang und schnell nachproduziert werden. Das wird wohl auf diesem Weg nicht klappen. Aber auch die Welthandelsorganisation könnte Abhilfe schaffen.
Wie sähe das aus?
Südafrika und Indien schlagen dort den vorübergehenden Verzicht auf bestimmte Verpflichtungen in den TRIPS-Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums vor. Ziel ist es, allen Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, für den Zeitraum der Pandemie den Schutz des geistigen Eigentums für Covid-19-Impfstoffe auszusetzen und keine Patente dafür zu vergeben. So könnten Produkte nachproduziert und importiert werden, ohne Handelskonflikte zu riskieren. Jedoch muss dieser Vorstoß von einer Zweidrittelmehrheit der WTO-Staaten mitgetragen werden, die bisher nicht vorliegt. Immerhin haben einige Unternehmen signalisiert, individuell von ihrem Patentrecht zurückzutreten, damit andere Hersteller die Impfstoffe schnell nachbauen können. Die wichtigen Impfstoffhersteller in Deutschland und den USA sind aber nicht dabei.
Wie funktioniert die Impfstoffplattform COVAX zur gerechten Verteilung von Impfstoffen in der Theorie?
COVAX ist ein von der WHO, der Impfallianz Gavi und der Forschungsplattform CEPI koordinierter Verteilungsmechanismus, an dem sich momentan mehr als 180 Staaten beteiligen, womit rund 90 Prozent der Weltbevölkerung abgedeckt sind. Zunächst sollen dort alle Staaten Impfstoffe für drei Prozent, anschließend für zwanzig Prozent ihrer Bevölkerungen beziehen können.
Wird das in der Praxis funktionieren?
Nein. Viele Staaten haben sich, vor und während des Aufbaus von COVAX, schon direkt bei den Herstellern Impfstoffe gesichert und damit den Markt leergekauft. Daher sind sie an COVAX nur als Geber beteiligt, die für Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen Impfstoffe finanzieren. Aber weder reichen die bereitgestellten Gelder aus, noch gibt es genug Impfstoffe, die COVAX kaufen könnte. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Staaten selbst nicht über den Mechanismus beziehen und COVAX damit wenig Macht in den Preisverhandlungen mit den Herstellern hat. Insofern unterwandern die reichen Staaten COVAX, auch wenn sie zahlen – preisen aber paradoxerweise gleichzeitig die Idee des Impfstoffs als globales öffentliches Gut.
Was können Deutschland und andere reiche Staaten jetzt noch tun, damit COVAX ins Rollen kommt?
Die meisten Staaten haben ja viel mehr Impfstoffdosen reserviert, als ihre Bevölkerungen brauchen. Daher könnten sie zehn bis zwanzig Prozent davon – Frankreich hat das schon angekündigt – an COVAX abgeben. Das wird wahrscheinlich passieren, schon allein aus Gründen der Gesichtswahrung. Das ideale, aber unrealistische Szenario ist, dass Deutschland und weitere Staaten, etwa die G7, sich darauf einigen, die gesamten vorab gesicherten Impfstoffdosen an COVAX abzugeben und selbst auch darüber zu beziehen. Außenpolitisch wäre das ideal, aber innenpolitisch nicht zu verkaufen. Da ist in Deutschland schon die Erwartung geweckt worden, dass der Impfstoff im Dezember kommt. Die muss jetzt erfüllt werden.
Wie kann man diese kommunikative Diskrepanz zwischen Innen- und Außenpolitik verringern?
Wenn Deutschland einen Anteil seiner reservierten Dosen an COVAX abgibt, ist es wichtig, das gut zu kommunizieren: Es sollte betont werden, dass damit an erster Stelle Gesundheitsfachkräfte geimpft werden, wie es die WHO empfiehlt. Deutschland könnte sich außerdem dafür einsetzen, dass die humanitären Kontingente in COVAX befüllt werden, die für Menschen in Krisen- und Fluchtsituationen gedacht sind. Auch bilateral kann man für solche Kontingente sorgen. Und schließlich kann Berlin entwicklungspolitisch zur Verbesserung der Sicherheit und Logistik der Lieferketten von Impfstoffen, Medikamenten und diagnostischen Tests beitragen. Ein Impfstoff wird bald das rarste Gut auf der Welt sein. Wir werden viel über Arzneimittelkriminalität, auch über Angriffe auf Impfstoffkonvois hören. Dass man hier gegensteuern muss, wird die Mehrheit der Deutschen verstehen.
Nächste Woche erscheint die SWP-Studie »Internationale Politik unter Pandemiebedingungen: Tendenzen und Perspektiven für 2021«, die u.a. einen Beitrag von Maike Voss mit zwei Szenarien zur Impfstoffverteilung enthält.
Das Interview führte Candida Splett von der Online-Redaktion der SWP.
Although Joseph Biden has now been elected 46th president of the United States, transatlantic relations do not automatically revert to their pre-2017 status quo. Too much has changed in the international sphere, too central has great power competition become to the international order. Europe will have to be much more clear than in the past about what it expects from Washington – and what it is prepared to contribute. Berlin and Brussels should work toward a new transatlantic agenda with the Biden administration, with five priorities including joint action against political disinformation and a transatlantic vaccine alliance.
Die Anrainerstaaten des östlichen Mittelmeers blicken mit Spannung auf die nächste Sitzung des Europäischen Rates am 10. Dezember 2020. Auf seiner Zusammenkunft am 1. Oktober 2020 hatte sich das Gremium selbst unter Druck gesetzt und angekündigt, im Dezember über die zukünftige Politik der Europäischen Union gegenüber der Türkei zu bestimmen. Entweder, so der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom Oktober, wird die EU der Türkei eine positive politische Agenda anbieten, die eine Vertiefung und Modernisierung der Zollunion, Erleichterungen bei der Erteilung von Visa für türkische Staatsbürger und erhöhte Zahlungen im Rahmen der Flüchtlingskooperation vorsieht. Oder die EU wird »alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente und Optionen nutzen […], um ihre Interessen und die Interessen ihrer Mitgliedstaaten zu verteidigen« – ein klarer Hinweis auf Sanktionen. Der Brüsseler Beschluss zeigt in Ankara bisher keine Wirkung. Die EU wird zu härteren Maßnahmen greifen müssen.
Minimal discussion of foreign policy during the US presidential campaign has left President-elect Joe Biden pinned to very few specific foreign policy positions and given him great flexibility in carrying out his program. He would probably prefer to avoid confrontation with Turkey; in fact, he will likely explore areas of potential US‑Turkish cooperation, especially against Russia. However, Biden’s core positions on human rights and rule of law, his long-time focus on Aegean and Eastern Mediterranean issues, and his seeming inclination to continue to fight ISIS in cooperation with the Syrian-Kurdish People’s Protection Units (YPG) militia – deemed “terrorists” by Ankara – probably augur deepening difficulties in US-Turkish ties. Down the line, a make-or-break decision on the future of US-Turkish ties will likely hinge on the Biden Administration’s assessment of Turkish-Russian relations. Europe may have an important say on Biden’s Turkish policy; a senior Biden adviser has said the new president will coordinate his approach to Turkey with the European Union.
Unter der Trump-Administration hat sich die Erosion der Rüstungskontrolle beschleunigt. Die USA haben sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA), dem bilateralen Vertrag über das Verbot landgestützter Mittelstreckenraketen (INF) und aus dem multilateralen OpenSkies-Vertrag zurückgezogen. Trump zögert auch, den New-START-Vertrag über die Begrenzung strategischer Systeme und Atomwaffen zu verlängern.
Aus Sorge um die weitere Erosion der strategischen Stabilität hat sich sein Nachfolger Biden dazu bekannt, den New-START-Vertrag um fünf Jahre zu verlängern. Dafür bleiben ihm nach seinem Amtsantritt zwar nur zwei Wochen, bevor der Vertrag außer Kraft tritt. Die Verlängerung bedarf aber keiner weiteren Ratifikation durch den US-Senat. Auch Russland steht einer Verlängerung positiv gegenüber.
Bei der Verhandlung eines Nachfolgevertrags ist Bidens Handlungsspielraum begrenzt. Zur Ratifikation braucht er eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Angesichts parteiübergreifender Interessen dürften ihm Kompromisse aber nicht schwerfallen. Dabei geht es nicht nur um Russland. Wie Trump wird auch er den aufstrebenden Rivalen China auffordern, sein Atomarsenal der Rüstungskontrolle zu unterwerfen.
Große militärische Risiken resultieren auch aus der Lage in Europa. Dies betrifft nicht nur die Konfliktgebiete in der Ukraine und in Berg-Karabach. Die Beziehungen zwischen der Nato und Russland haben ihren tiefsten Punkt seit dem Ende des Kalten Krieges erreicht. Vor allem in der Ostseeregion, im Schwarzmeerraum und im Hohen Norden haben sich ihre militärischen Aktivitäten seit 2014 vervielfacht. Ihre Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge treffen heute manchmal gefährlich nah aufeinander, ihre Bodentruppen stehen sich im Baltikum gegenüber.
Gleichzeitig erodiert die Architektur der Rüstungskontrolle und Vertrauensbildenden Vereinbarungen, die am Ende des Kalten Krieges erarbeitet wurde. Der Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), sein Anpassungsabkommen und das Wiener Dokument zur militärischen Vertrauensbildung zwischen OSZE-Mitgliedstaaten haben entweder ihre Relevanz verloren oder sind unzureichend, um die heutigen militärischen Risiken einzuhegen. Zudem kommunizieren die Nato und Russland nicht miteinander wie sie sollten. Es besteht die Gefahr, dass ein militärischer Zwischenfall oder eine Fehleinschätzung zu einem unbeabsichtigten bewaffneten Konflikt führen könnten. Da keine Seite dies will, sollten sie kooperieren, um das Risiko einer Konfrontation zu senken.
Konfliktprävention durch Dialog und KooperationZu diesem Zweck wären folgende konkrete Schritte zu erwägen:
(1) Die Nato und Russland sollten den militärischen Dialog der höchsten Kommandoebenen und den regelmäßigen fachlichen Austausch der Sicherheitsexperten wiederaufnehmen, um die jeweiligen Aktivitäten und Doktrinen besser zu verstehen und Fehldeutungen zu vermeiden.
(2) Bisherige Vereinbarungen zur Verhinderung gefährlicher militärischer Aktivitäten sollten ergänzt und aktualisiert werden. Einheiten, die in Grenznähe operieren, müssen mit besonderer Vorsicht agieren. Ständige Verbindungen zwischen beiden Seiten sollten für den Fall eingerichtet werden, dass militärische Bewegungen einer Seite der anderen bedrohlich erscheinen.
(3) Das Wiener Dokument sollte modifiziert werden, um die Transparenz militärischer Übungen zu steigern. Alle beteiligten Truppen müssen in vollem Umfang erfasst und die Schwellenwerte für ihre Notifizierung und Beobachtung gesenkt werden.
(4) »Stille« Vorausinformationen wären geeignet, um Fehldeutungen russischer Alarmübungen zu vermeiden. Sie wären nur an die höchsten militärischen Befehlshaber zu richten, ohne dass die involvierten Truppen vorab gewarnt werden. Auch die Nato könnte Russland vertraulich über unangekündigte Bewegungen multinationaler Verbände informieren.
(5) Für die Nato-Russland Berührungszonen sollten regionale Stabilisierungsmaßnahmen vereinbart werden. Dazu sind beiderseitige Begrenzungen einer weiteren permanenten Stationierung substantieller Kampftruppen geeignet, die schon die Nato-Russland-Grundakte von 1997 vorsieht. Was das bedeutet, muss konkretisiert werden. Eine Einigung auf eine Heeresbrigade und eine Kampfflugzeuggruppe pro Land oder Militärbezirk wäre angemessen.
(6) Größere militärische Bewegungen und Übungen, die in diesen Zonen stattfinden, sollten strikten Informations- und Verifikationsregimen unterworfen werden. Allerdings muss die legitime individuelle und kollektive Verteidigung gewährleistet bleiben und eine Isolierung einzelner Regionen oder Länder vermieden werden.
(7) Der Vertrag über den Offenen Himmel erhöht die Transparenz durch kooperative Beobachtungflüge und schafft gerade in der Krise ein Mindestmaß an Berechenbarkeit und Vertrauen. Durch den Rückzug der USA wurde er geschwächt. Russland und andere europäische Vertragsstaaten sollten an ihm festhalten.
(8) Auch bei der Stationierung und Bewegung neuerer Waffensysteme in Europa sollten sich die Nato und Russland Transparenz und Zurückhaltung zusichern. Dies gilt vor allem für land-, see- oder luftgestützte Marschflugkörper und weitreichende Kampfdrohnen.
(9) Zudem sollten beide Seiten die Gespräche über die Raketenabwehr wiederaufnehmen. Sie könnten jährliche Informationsaustausche über derzeitige und geplante Abwehrsysteme in Europa erwägen, um Transparenz und Vertrauen zu stärken.
Diese Vorschläge zielen nicht darauf ab, dass die Allianz gegenüber Russland zur Tagesordnung zurückkehrt, ohne dass die fundamentalen politischen Probleme gelöst werden, die beide Seiten trennen. Sie dienen vielmehr dazu, eine Eskalation zu vermeiden und die Sicherheit in Europa zu stärken. Werden sie realisiert, so können sie allerdings dazu beitragen, eine positivere Atmosphäre zu schaffen, in der auch die tieferliegenden Ursachen der europäischen Sicherheitskrise erörtert werden können.
Um eine weitere Eskalation der politischen und militärischen Spannungen zwischen der Nato und Russland zu verhindern, hat eine Gruppe von 40 hochrangigen Militär- und Sicherheitsexperten aus Europa, Russland und den USA Empfehlungen formuliert. Viele der US-Teilnehmer stehen dem Biden-Team nahe. Die Empfehlungen werden von mehr als 140 Sicherheitsfachleuten unterstützt, unter ihnen 16 frühere Außen- und Verteidigungsminister sowie mehr als 50 Generäle, Admirale und hochrangige Diplomaten außer Dienst. Der Autor hat daran mitgearbeitet.
World media have hailed the victory of Maia Sandu in the Moldovan presidential elections on 15 November. They celebrated it as a triumph of democracy and pro-Western preferences over post-Soviet cronyism, authoritarianism and Russian apologists. The reality is more complex while there are few reasons for optimism. Sandu’s victory is a fragile one as the conditions that delivered it were temporary only. However, she may have unwittingly discovered how to attract voters who traditionally preferred Russia-backed candidates. The EU would benefit by learning from this accidental solution, which is of value regionwide, and deriving from it a thought-out strategy to more effectively support and protect genuine democratic transformation in Moldova and the post-Soviet area.
In den Verhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Vereinigten Königreich (VK) über ihre zukünftigen Beziehungen ist der große Durchbruch bisher ausgeblieben. Bei Nichteinigung droht zum Ende des Jahres 2020 der »No (trade) deal Brexit«. Wirtschaftlich wird in diesem Fall mit massiven Einschnitten gerechnet, die politischen Folgen sind noch schwerer kalkulierbar. Mit dem ungeregelten Ende der Übergangszeit würden die Beziehungen zwischen der EU und der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas nicht enden, sondern in eine neue Verhandlungsphase eintreten. Zwischen Blame Game, wirtschaftlichen Interessen und der Durchsetzung der eigenen Glaubwürdigkeit sollte die EU Maßnahmen vorbereiten, damit London an den Verhandlungstisch zurückkehrt.
Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie erleben einige illegale Geschäftsfelder wie etwa der Handel mit gefälschten Medizinprodukten eine Hochkonjunktur. Andere typische Einkommensquellen der Organisierten Kriminalität (OK) brachen aufgrund von Lockdowns, Reisebeschränkungen und Grenzschließungen kurzzeitig eher ein. Mit den stetigen Veränderungen der Infektionslage und einer zunehmenden Fragmentierung der Gegenmaßnahmen ist die Lage auch für kriminelle Akteure unübersichtlicher geworden. Was die OK mittelfristig beeinflussen kann, sind vor allem die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen der Pandemie. Neben Verschiebungen auf illegalen (Drogen-)Märkten könnten sich das Potential für kriminelle Ausbeutung in der Folge der Gesundheitskrise erhöhen und der Einfluss krimineller Gruppen auf Staat und Gesellschaft verstärken. Teilweise sind diese Entwicklungen bereits sichtbar. Die damit einhergehenden Risiken bedürfen erhöhter Aufmerksamkeit durch politische Entscheidungsträger und Strafverfolgungsbehörden und einer gezielteren internationalen Zusammenarbeit.
The global political situation in Europe’s neighbourhood has deteriorated dramatically in recent years, and this has had significant consequences for the European Union (EU). Conflicts are multiplying in Eastern Europe and in the Mediterranean Sea; Russia and China are showing increasingly expansive tendencies in South Eastern Europe; and the USA is becoming less and less reliable as a security provider for Europe. Against this background, it is striking that the Common Foreign and Security Policy (CFSP) still falls far short of what would be expected from the EU given the size of its internal market. The unanimity principle in the Council of the EU is often blamed for this. However, an analysis of CFSP data shows that the Member States are clearly satisfied with symbolic policy measures, despite their political rhetoric. This situation will not be resolved either by introducing simple majority voting or with mere declarations of political will from governments. The dialogue on the future of Europe should be seen as an opportunity to remedy the inability to act in the field of foreign policy by harmonising the CFSP.
Europa sollte dem französischen Präsidenten und der deutschen Verteidigungsministerin dankbar sein. Sie haben die beiden möglichen Entwicklungspfade der europäischen Sicherheitspolitik scharf im Ton, aber klar in der Sache benannt. In einem von dem Magazin »Politico« Anfang November veröffentlichten Gastbeitrag nannte Annegret Kramp-Karrenbauer die Idee einer strategischen Autonomie Europas eine »Illusion«. Emmanuel Macron konterte im Gespräch mit der Zeitschrift »Le Grand Continent« spitz, dass die Aussage der Verteidigungsministerin eine »Fehlinterpretation der Geschichte« sei. Diese legte in ihrer zweiten Grundsatzrede noch einmal nach: Der wichtigste Verbündete Deutschlands und Europas blieben die USA. Ohne die nuklearen und konventionellen Fähigkeiten Amerikas könnten sich Deutschland und Europa nicht schützen. Aus diesen »nüchternen Fakten« müssten sich die Schlussfolgerungen für die EU ableiten.
Der heftige Dissens überrascht, hatten doch die vergangenen vier Jahre den Eindruck erweckt, dass sich deutsche und französische Vorstellungen im Bereich der Sicherheitspolitik angenähert hätten. Da mit dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump eine Zusammenarbeit weitgehend unmöglich war, zogen Berlin und Paris daraus scheinbar den gleichen Schluss: Europa könne sich nicht länger auf Washington verlassen, sondern müsse sich auf seine eigenen Stärken besinnen und sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Paris und Berlin verliehen ihrer sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit eine frische Dynamik und gaben der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU endlich so etwas wie Schwung. Die ambitionierten militärischen Fähigkeiten, die beide Länder gemeinsam entwickeln und beschaffen wollen – allen voran das Kampfflugzeug FCAS und der Kampfpanzer MGCS –, sollen dazu beitragen, dass die EU auch im Bereich der Sicherheit und Verteidigung ein global handlungsfähiger Akteur wird. Im Vertrag von Aachen verpflichteten sich Deutschland und Frankreich 2019 zudem, auf »eine Stärkung der Fähigkeit Europas« hinzuwirken, »eigenständig zu handeln«.
Keine Sicherheitspolitik ohne die USAKaum ist Präsident Trump abgewählt und ein Politikwechsel in den USA erkennbar, wird deutlich, dass Paris und Berlin dem gemeinsamen Ruf nach größerer europäischer Handlungsfähigkeit und strategischer Autonomie unterschiedliche Motive zugrunde gelegt und sehr verschiedene Einsatzszenarien damit verbunden haben. Frankreichs Engagement zugunsten verbesserter militärischer Fähigkeiten seiner EU-Partner ging nicht zuletzt mit der Hoffnung einher, diese würden die französischen Streitkräfte entlasten. Denn seit den Terroranschlägen in Paris 2015 führt das Land einen »Krieg gegen den internationalen Terrorismus«, zum Beispiel im Nahen Osten, in der Sahel-Zone und in Frankreich selbst. Unterstützung erhoffte sich Paris dabei auch und gerade von seinen europäischen Verbündeten.
Berlin hingegen sah vermehrte Kraftanstrengungen zur Verbesserung der militärischen Fähigkeiten der EU-Staaten vor allem als Vehikel, die amerikanische Kritik an der vermeintlich unfairen Lastenteilung in den transatlantischen Sicherheitsbeziehungen zu entschärfen. Europäischer werden, um transatlantisch bleiben zu können, war hier das handlungsleitende Paradigma. Dies ist in Paris nicht immer ausreichend verstanden worden. Die GSVP betrachtet die Bundesregierung daneben primär als politisches Projekt, um den Zusammenhalt der EU-Mitgliedstaaten zu stärken und dem Integrationsprozess neue Impulse zu verleihen. Konkrete Einsatzszenarien sind in der deutschen Debatte eher blass geblieben und fokussierten vage auf das Krisenmanagement in der europäischen Nachbarschaft. Vor allem aber hat die Bundesregierung trotz der Fragezeichen hinter den amerikanischen Sicherheitsgarantien für Europa während der Amtszeit von Trump die EU niemals ernsthaft als alternative Sicherheitsstruktur für die Landes- und Bündnisverteidigung betrachtet. Diese »atlantische Festlegung« hat angesichts der nicht existierenden Alternative, die die Verteidigungsministerin noch einmal in Erinnerung gerufen hat, auch die vergangenen vier Jahre überdauert. Entsprechend fielen die Avancen von Präsident Macron im Februar 2020 in Berlin auf taube Ohren, das französische Nukleararsenal in eine gemeinsame europäische Verteidigungsstrategie einzubinden und die europäischen Partner an entsprechenden französischen Militärübungen zu beteiligen.
Ein gemeinsames Verständnis von europäischer SouveränitätUm die GSVP in die sich durch die Präsidentschaft von Joseph Biden verändernde euro-atlantische Sicherheitsstruktur einzupassen, muss in den kommenden Wochen nicht nur eine neue transatlantische Agenda im sicherheitspolitischen Bereich formuliert werden. Vielmehr bedarf es auch einer deutsch-französischen Verständigung über die Reichweite der strategischen Autonomie und der für sie notwendigen Schritte. Dieser Konsens sollte auf drei Grundprinzipien gründen:
Erstens dem gemeinsamen Bekenntnis, dass das Primat für die multilaterale Bündnis- und Landesverteidigung im euro-atlantischen Raum auch in Zukunft bei der NATO liegt. Selbst vier Jahre Trumpscher Außenpolitik haben nicht als Auslöser genügt, damit sich die EU militärisch oder politisch wirklich in Richtung strategische Autonomie bewegt hätte. Unter einer US-Administration, die Bündnisse wieder schätzen wird, ist dies noch weniger zu erwarten; zweitens, einer ebenso klaren Verpflichtung beider Seiten zum eigenständigen militärischen Krisenmanagement der EU in der Nachbarschaft Europas sowie der Bereitschaft, sich daran aktiv zu beteiligen. Denn die Peripherie des Kontinents gestalten mittlerweile rivalisierende Großmächte, die eigene geopolitische Ordnungsvorstellungen verfolgen – Krisen und Konflikte wie in Syrien und Libyen sind die Folge; und schließlich drittens einem Bekenntnis zu weiter vertiefter militärischer Integration in der EU und der damit verbundenen Notwendigkeit, nationale Souveränitätsrechte in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik an Brüssel abzugeben. Gerade der letzte Schritt fällt weder Berlin noch Paris leicht, denn eine souveräne EU kann nur auf Kosten der Souveränität ihrer Mitglieder entstehen. Der Streit der vergangenen Tage hat illustriert, dass sich beide Seiten diesbezüglich zu lange mit Sonntagsreden und Scheingewissheiten begnügt haben.
Dieser Text ist auch bei euractiv.de erschienen.
Russia has adopted a development strategy for the Arctic for the period from October 2020 to 2035. Reflecting hopes and perceived threats associated with the successive warming of the Arctic, it aims to advance development of the region’s abundant resources, first and foremost oil and gas, and improve living conditions for the population. In the longer term, the Kremlin hopes to establish the Northern Sea Route as a new global shipping artery. Moscow also worries that an increasingly ice-free Arctic could create new territorial vulnerabilities in its Far North, and is responding by rebuilding its military presence there. Finally, Moscow also wants to preserve the region’s ecological balance. The indications are, however, that the interests of the energy sector and the military will be served, while funding to improve environmental protections and living conditions will remain inadequate.
The Law of the People’s Republic of China on Safeguarding National Security in the Hong Kong Special Administrative Region (Security Law) highlights the shortcomings of the 1984 Sino-British Joint Declaration and the inherent conflicts of the “one country, two systems” principle. The arrangement has always been full of contradictions and grey areas. With the Security Law, the Chinese leadership has created facts on the ground. The move comes at the expense of civil liberties and accelerates the spread of socialist legal concepts in Hong Kong. But, on this issue, Beijing is not isolated internationally. On the contrary, it is supported by economically dependent states in its assessment of the Security Law as an internal affair. China’s ambition to gain international discourse power in legal matters is strategically embedded in the Belt and Road Initiative (BRI). Beijing’s course of action in Hong Kong serves as a test balloon in this endeavour. Decision-makers in Germany and Europe are still not sufficiently aware of the problems concerning Chinese legal concepts. More expertise is urgently needed.
On 8 November Luis Arce and David Choquehuanca took office as the new president and vice-president of Bolivia, respectively. Less than a month earlier, they had won the elections in the first round with more than 55 per cent of the vote. Thus, the Movement towards Socialism (Movimiento al Socialismo or MAS) was returned to power and obtained an absolute majority in the parliament after a one-year interregnum following the fraudulent ballot in 2019. This outcome can be attributed not only to the desire of the people for economic and political stability as well as social peace but also to the poor performance of the transitional government of Jeanine Áñez and the opposition’s fragmentation and polarizing campaign. The dethronement of Evo Morales and the current adverse conditions – not least Covid-19 – are among those factors that will make it impossible for the MAS to conduct business as usual.
Die Islamische Republik Iran hat unter dem Sanktionsdruck der Trump-Administration den »Osten« zur außenpolitischen Priorität erklärt. Im Rahmen einer neuen »Blick-nach-Osten«-Politik sollten die Beziehungen zu asiatischen und eurasischen Großmächten wie Russland, China oder Indien vertieft werden.
An seiner Ostorientierung wird Iran auch unter dem US-Präsidenten Joe Biden festhalten, denn die außenpolitische Schwerpunktverlagerung reicht über kurzfristige Wirtschaftsinteressen hinaus. Teheran sieht in östlichen Partnern das größte Potential, um vom Westen unabhängige Ordnungsstrukturen zu schaffen.
Mittelfristig setzt die Islamische Republik auf eine multipolare Ordnung, in der Regionalmächten eine höhere politische Bedeutung zukommt. Langfristig schwebt Teheran die Vision einer einheitlichen islamischen Gemeinschaft und einer Sphäre islamischer Souveränität vor.
Vor diesem Hintergrund begrüßt die Islamische Republik bedeutende geopolitische Großprojekte in Eurasien, in denen Iran eine zentrale Rolle einnimmt.
Teherans »Blick nach Osten«-Politik geht aber auch mit Kosten einher und stößt vor allem sicherheitspolitisch an enge Grenzen. Noch zeichnen sich keine strategischen Partnerschaften ab, die sich in einer belastbaren Bündnispolitik widerspiegeln würden.
Dennoch müssen sich Deutschland und die EU darauf einstellen, dass der Einfluss eurasischer und asiatischer Akteure, insbesondere Pekings, in Iran steigen wird. Dabei stehen Teherans Beziehungen zu diesen Staaten nicht unter dem Vorbehalt, Menschenrechtsfragen oder die iranische Regionalpolitik zu diskutieren.
Irans Orientierung nach Osten stellt aber noch keine Abkehr vom »Westen« dar. Mit der Umsetzung der »Blick nach Osten«-Politik könnte die Bedeutung Deutschlands und Europas sogar noch zunehmen.