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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 4 days 15 hours ago

Paradigmenwechsel in der europäischen Cyberabwehr

Thu, 20/07/2023 - 17:00

Für EU-Staaten, die in Abstimmung mit Verbündeten eine aktive Cyberabwehr be­treiben wollen, sind die rechtlichen und politischen Befugnisse noch nicht ausreichend ausbuchstabiert worden. Im Sinne des Prinzips der Sorgfaltsverantwortung sind die EU und ihre Mitgliedstaaten in der Pflicht, die normativen Grundlagen für einen Einsatz aktiver Cyberabwehrmaßnahmen festzulegen, bevor diese ergriffen werden. Eine Militarisierung des Cyber- und Informationsraums gilt es zu vermeiden.

Erdoğans Westkurs: Ein gutes Geschäft

Thu, 20/07/2023 - 14:45

Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am 10. Juli seine Zusage für den Nato-Beitritt Schwedens mit der Wiederaufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei verknüpfte, stieß seine Forderung vielerorts auf Skepsis und Kritik. Viele befürchteten eine weitere Belastung der Nato- und EU-Türkei-Beziehungen. Bernd Lange, Vorsitzender des EU-Handelsausschusses, bezeichnete Erdoğans Vorstoß als »blanke politische Erpressung«.

Noch am selben Abend kam es aber zum Durchbruch – und auf dem Nato-Gipfel tags darauf ließ der türkische Präsident sein Veto gegen den Beitritt Schwedens zum transatlantischen Militärbündnis fallen. Für Aufsehen hatte er bereits Anfang Juli gesorgt, als er sich nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine aussprach. Zudem sagte Erdoğan der ukrainischen Armee weitere Drohnen und Panzerhaubitzen zu und erteilte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine weitere Abfuhr, indem er die Offiziere des Asow-Regiments in die Ukraine ausfliegen ließ. Nach einer Vereinbarung zwischen Kiew und Moskau sollten diese bis zum Kriegsende in der Türkei bleiben.

Kehrtwende aus wirtschaftlichen Zwängen

Zu den Motiven für Erdoğans Westkurs gehören Pragmatismus, Finanzhilfen und sicherheitspolitische Zugeständnisse. Das Festhalten am Veto gegen den Nato-Beitritt Schwedens hätte zu einer gefährlichen Zuspitzung der Spannungen zwischen der Türkei und der Nato, den USA und der EU geführt. Dies hätte das Militärbündnis zersplittert und schwach erscheinen lassen. Bliebe Ankara der westlichen Anti-Russland-Front fern, wäre auch seine Position gegenüber Moskau geschwächt und sein außenpolitischer Handlungsspielraum entsprechend eingeengt. Mit der trilateralen Verständigung zwischen der Nato, der Türkei und Schweden wurden Voraussetzungen für eine konstruktive Zusammenarbeit geschaffen, Geschlossenheit nach außen demonstriert und die Glaubwürdigkeit des Militärbündnisses gewahrt.

Entscheidend war auch, dass Erdoğan der Nato, den USA und Schweden Zugeständnisse abtrotzte, die er in der Türkei als Triumph verkaufen konnte. Die schwedische Regierung will die PKK konsequenter bekämpfen und die Türkei im EU-Beitrittsprozess unterstützen, US-Präsident Joe Biden will den Weg für den Verkauf der für die türkische Luftwaffe so wichtigen F-16-Kampfflugzeuge an die Türkei ebnen. Sollten die US-Administration und die schwedische Regierung ihre Zusagen nicht einhalten, hätte das türkische Parlament die Möglichkeit, dem Nato-Beitritt Schwedens nicht zuzustimmen.

Erdoğans Einlenken war auch wirtschaftlich motiviert: Ihm geht es derzeit darum, Kapitalzuflüsse und Investitionen in die Türkei anzuregen. Der türkische Präsident steht innenpolitisch massiv unter Druck, weil dem Land eine Wirtschaftskrise droht. Eine konfrontative Haltung dem Westen gegenüber würde sich negativ auf das ohnehin ungünstige Investitionsklima auswirken. Der US-Journalist Seymour Hersh enthüllte, dass Biden Erdoğan versprochen habe, sich für einen Kredit des Internationalen Währungsfonds in Höhe von rund 13 Milliarden US-Dollar für die Türkei einzusetzen.

Zeit für Pragmatismus mit Prinzipien

Brüssel und Berlin sollten auf die Türkei zugehen. Denn so wie die Türkei die EU braucht, braucht die EU die Türkei – etwa als Partner bei der Steuerung von Migrationsbewegungen und als Vermittler gegenüber Russland im Ukraine-Krieg. Als Regionalmacht trägt die Türkei dazu bei, Russlands Einflussstreben in der Schwarzmeerregion, im östlichen Mittelmeer, auf dem Balkan und im Kaukasus einzudämmen. Gerät die Türkei in eine wirtschaftliche Schieflage, kann sie diese Aufgaben nicht mehr wahrnehmen – mit erheblichen Konsequenzen für die EU. Dies erfordert eine Kooperation, die das Land stabilisiert, ohne das autokratische Regime Erdoğans zu legitimieren.

Die EU sollte sich darüber im Klaren sein, dass Ankara einen Balanceakt gegenüber Moskau vollführen muss: Die Türkei muss den Handel, die diplomatischen Beziehungen und die strategische Zusammenarbeit mit Russland aufrechterhalten und sich gleichzeitig Russlands imperialem Revanchismus widersetzen. Denn so sehr die Türkei in ihren strategischen Zielen an den Westen gebunden ist, so sehr ist sie auf ein funktionierendes Verhältnis zu Russland angewiesen.

Die Zusammenarbeit mit der Türkei sollte zunächst auf sicherheitspolitische Fragen, Friedensdiplomatie und Wirtschaft beschränkt bleiben. Denkbar wären finanzielle Hilfen für den Wiederaufbau des Erdbebengebiets, die an die Bedingung geknüpft werden, dass etwa die Korruption im Bausektor wirksam bekämpft und die Vergabeverfahren transparent kontrolliert werden.

Gleichwohl wird es weder eine Westorientierung geben noch will Erdoğan die Türkei an die EU heranführen. Die dafür notwendige Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit würden seiner Machterhaltungsstrategie fundamental widersprechen. Zugeständnisse bei der Modernisierung der Zollunion und der Visafreiheit kämen daher einer Belohnung Erdoğans für seinen autoritären Kurs und einer Bestätigung seines autokratischen Regimes gleich.

Statt die Türkei in der Warteschleife zu halten, sollten Brüssel und Berlin auf Ankara zugehen und klar kommunizieren, dass eine demokratische Wende und ein Reformprozess unabdingbar sind, wenn die Türkei den Prozess der Zollunion vorantreiben will.

Turkey’s New Cabinet

Wed, 19/07/2023 - 13:00

The inclusion of technocrats and bureaucrats in Turkey’s new cabinet has led to cau­tious optimism over a possible change in direction. While President Recep Tayyip Erdoğan’s choice of economy minister hints at a reset, the thrust of foreign policy will remain unchanged. Here Ankara will pursue a moderate and diplomatic approach while still pursuing strategic autonomy. A great deal will depend on what Erdoğan wants and how he chooses to employ foreign relations to attract better financial and economic deals. Given Turkey’s importance as a security partner, espe­cially in light of Russia’s war against Ukraine, the EU needs to develop a strategic approach on the basis of common interests and institutionalised relations.

Human Rights Dialogue with Arab States

Wed, 19/07/2023 - 02:00

Germany is being met with rejection from the governments of Arab states when it calls for human rights to be respected. If those being addressed do not outright refuse to engage in dialogue, they usually rely on four patterns of argumentation to ward off corresponding demands: (1) the human rights situation in their own country is already improving, but the process still needs time, (2) concerns such as economic development and the fight against terrorism should take precedence over civil rights, (3) human rights are a Western construct and ignore the cultural characteristics of the societies being addressed, and (4) Western human rights policy is characterised by double standards. German officials should be aware of these objections and counter them proactively when they engage in dialogue on human rights. Above all, the Ger­man government should engage the accusations of cultural imperialism and double standards, not least because these beliefs are widespread among the populations of Arab countries. To counterbalance these accusations, the universal claim of human rights should be emphasised more strongly – especially in the context of a feminist foreign policy. Additionally, self-interests that potentially undermine the proclaimed values-based approach should be identified and articulated more clearly. Finally, the dialogue on human rights should be underpinned by concrete measures.

Ankaras Wirtschaftspolitik in der Zwickmühle

Tue, 18/07/2023 - 16:00

In der neuen Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan wurde Mehmet Şimşek zum Finanzminister ernannt, während die Managerin Hafize Gaye Erkan an die Spitze der Zentralbank rückte. Beide gelten als erfahrene Experten und Vertreter einer rationalen Ökonomie. Ihre Berufung hat daher Hoffnungen geweckt, Ankara könnte künftig wieder auf eine orthodoxe Wirtschaftspolitik setzen. Doch Zweifel daran bleiben. Ohnehin wäre ein entsprechender Kurswechsel kein Freiticket aus der Wirtschaftskrise des Landes, solange er nicht durch strukturelle Reformen flankiert würde. Der Türkei drohen eine Inflationsspirale und ein Konjunktureinbruch, wodurch sie nicht nur innenpolitisch destabilisiert würde, sondern auch sicherheitspolitisch geschwächt – vor allem gegenüber Russlands Einflussstreben im regionalen Umfeld. Die Konsequenzen für die EU wären enorm. Notwendig ist daher eine wirtschafts- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit, die das Land stabilisiert, ohne das autokratische Regime Erdoğans zu legitimieren.

Destructive Ambiguity Hampers Progress in UN Climate Process

Tue, 18/07/2023 - 13:02

Entrenched positions, particularly between industrialised countries and some major emerging economies, dominated negotiations at June’s UN Climate Change Conference in Bonn. Disagreements over the interpretation of “common but differentiated responsibilities” and the principle of equity hindered substantial progress. Preparations for the first Global Stocktake (GST) to ratchet up the ambition under the Paris Agreement (2015), which will conclude at the 28th Conference of the Parties (COP28) in Dubai in December, did not meet expectations. At the same time, some emerging economies, notably China, attempted to lessen the significance of the IPCC’s Sixth Assessment Report (AR6) as a common scientific basis. Should China maintain this position, it could result in negative consequences for the multilateral climate process well beyond COP28.

Die Prognose ungeregelter Wanderungen

Tue, 18/07/2023 - 13:00

Die deutsche und europäische Migrationspolitik befindet sich im perma­nenten Krisenmodus. Plötzliche Anstiege ungeregelter Zuwanderung nähren ein Gefühl von Kontrollverlust, das wiederum von populistischen Kräften instrumentalisiert wird. Daher hat die Politik großes Interesse an quantitativen Migrationsprognosen. Besondere Erwartungen wecken KI-gestützte Instrumente zur Vorhersage ungeregelter Wanderungsbewegungen, wie sie zurzeit entwickelt werden. Die Anwendungsfelder dieser Instrumente sind vielfältig. Sie reichen von einer Stärkung der Aufnahmekapazitäten in der EU über die präventive Verschärfung von Grenzschutzmaßnahmen und eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Ressourcen in humanitären Krisen bis zur längerfristigen entwicklungspolitischen Programmplanung. Allerdings besteht eine deutliche Kluft zwischen den Erwartungen an die neuen Instrumente und ihrem praktischen Mehrwert. Zum einen sind die technischen Möglichkeiten begrenzt, und mittelfristige Vorhersagen zu ungeregelten Wanderungen sind methodisch kaum möglich. Zum anderen mangelt es an Verfahren, um die Ergebnisse in politische Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen. Die hohe Nachfrage nach Prognosen erklärt sich aus den politischen Funktionen quantitativer Migrationsvorhersage – beispielsweise ihrem Potential für die politische Kommunikation, die Mitteleinwerbung und die Legitimierung politischer Entscheidungen. Investitionen in die Qualität der den Prognosen zugrunde liegenden Daten sind sinnvoller als die Entwicklung immer neuer Instrumente. Bei der Mittelvergabe für Prognosen sollten Anwendungen in der Nothilfe und der Entwicklungszusammenarbeit priorisiert werden. Zudem sollten die Krisenfrüherkennung und die Risikoanalyse gestärkt werden, und die beteiligten Akteure sollten sich besser vernetzen.

U.S. Arctic Security Policy

Tue, 18/07/2023 - 02:00

Unlike his predecessors, US President Joe Biden made important decisions early in his term to enable better coordination of US Arctic policy. This includes foremost the National Strategy for the Arctic Region that was published later than planned as a result of Russia’s war of aggression, which destroyed the few remaining hopes for cooperation and made the Arctic a security policy issue. Alaska, as the northernmost American state, is naturally at the centre of US Arctic policy, which increasingly also must take Chinese activities into consideration. Most recently, in September 2022, the U.S. Coast Guard (USCG) detected Chinese and Russian warships off Alaska. Currently, only one US icebreaker is continuously available in the Arctic theatre with the mis­sion to protect sovereignty in the Arctic Ocean and monitor ice-covered areas. Alaska is also the very same US state that the recent Chinese spy balloon flew over, which was eventually shot down in February 2023. After decades of scant attention, is the Arctic now finally becoming the object of a more engaged US security policy?

Energiepolitik

Mon, 17/07/2023 - 14:39

»Beziehungen an einem Wendepunkt«

Mon, 17/07/2023 - 09:42
EU-Gipfel mit der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten: Politologin Claudia Zilla erklärt, wie verschieden die Interessen sind - und welche Konflikte es gibt.

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