Der Rat hat am 27. Januar 2017 beschlossen, dass die Vermögenswerte von 48 Personen, die für die missbräuchliche Verwendung öffentlicher Gelder in Tunesien verantwortlich gemacht werden, und der mit ihnen in Verbindung stehenden Personen bis zum 31. Januar 2018 eingefroren bleiben.
Die Sanktionen, die den ehemaligen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali, seine Frau sowie 46 weitere Personen betreffen, waren ursprünglich am 31. Januar 2011 verhängt worden. Der Rat hat dies damit begründet, dass die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder das tunesische Volk um den Ertrag der nachhaltigen Entwicklung seiner Wirtschaft und Gesellschaft bringt und die Entwicklung der Demokratie im Land untergräbt. Die restriktiven Maßnahmen, mit denen die Vermögenswerte bestimmter Personen eingefroren wurden, sind seit 2011 jedes Jahr verlängert worden.
Der Beschluss wird am 28. Januar 2017 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Er wurde vom Rat "Wirtschaft und Finanzen" (ECOFIN) ohne Aussprache angenommen.
Liebe Familie von Präsident Herzog, sehr geehrte Exzellenzen, liebe Freunde,
kurz nachdem Roman Herzog 1994 sein Amt als Präsident der Bundesrepublik Deutschland angetreten hatte, wurde er vom polnischen Präsidenten Lech Wałęsa zu einer Gedenkfeier anlässlich des fünfzigsten Jahrestags des Warschauer Aufstands eingeladen. Es war eine Zeit hitziger historischer Debatten und Diskussionen über Wunden, die nicht verheilen konnten. Nicht jeder in Deutschland war davon überzeugt, dass ein unerfahrener Präsident für seinen ersten Auslandsbesuch Polen und ausgerechnet einen solchen Anlass wählen sollte. Und nicht jeder in Polen war damit einverstanden, dass ein deutscher Präsident an einer solchen Gedenkfeier an einem solchen Ort teilnimmt. Zeitungen veröffentlichten die Meinungen polnischer Bürger; einige waren dafür, andere dagegen. Dann kam Präsident Herzog und richtete Worte an die polnischen Menschen, die überraschten – ehrliche, kühne und eingehende Worte. Er fand Worte, die viele Skeptiker überzeugten. Die Zeitungen druckten nun die Meinungen polnischer Bürger, auch von Veteranen, die an dem Warschauer Aufstand teilgenommen hatten, die dem Präsidenten Respekt zollten und ihre früheren Vorbehalte zurücknahmen. Wie wir wissen, kommt so etwas nicht oft vor. Dies ist einer der Gründe, weshalb wir Roman Herzogs Warschauer Rede als außerordentlich und historisch ansehen. Wenn wir ihn heute als einen Präsidenten der offenen Worte bezeichnen, der nicht gern um den heißen Brei herumredete, dann verstehen wir in Polen das auf eine ganz besondere Weise.
Es lohnt sich, jetzt daran zu erinnern – wenige Tage vor dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, der von Präsident Herzog selbst eingeführt und auf den 27. Januar, den Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, festgelegt wurde.
Roman Herzog gehörte einer Generation an, die noch eigene Erinnerungen an die düstere Vergangenheit hat – Erinnerungen, die für sie eine Quelle der Motivation für eine verstärkte europäische Integration waren. Diese Generation wusste genau, wie viel auf dem Spiel steht. Deshalb rief Präsident Herzog dazu auf, die Einigung des Kontinents nicht als Technik des Zusammenlebens zu verstehen, sondern als Teil der politischen und kulturellen Identität. Nur dann wäre Europa in der Lage, in einer immer vielfältigeren und unbeständigeren Welt zu überleben – und äußeren Gefahren zu begegnen. Diese Worte aus dem Jahr 1997 erhalten heute neuen Inhalt und unheimliche Bedeutung. Es ist zu ergänzen, dass nach Präsident Herzogs Argumentation Europa kein Projekt nur für alte Leute, die mit Erinnerungen leben, bleiben darf. Was ist mit den jungen Menschen, die keine eigenen Erinnerungen haben? Sie werden nie diese spezielle Motivation spüren, sich für ein geeinigtes Europa einzusetzen. Sie haben zwar keine eigenen Erinnerungen, aber sie sollten ihre Fantasie einsetzen.
Es ist viele Jahre her, dass Roman Herzog seine Landsleute dazu aufrief, ihre Fantasie von dem Gedanken der Freiheit beflügeln zu lassen - von dieser außergewöhnlichen Erfahrung aus dem Herbst der Völker 1989. Freiheit ist unsere gemeinsame Gabe. Vielleicht sollten wir heute, da wir in der Europäischen Union wieder Einheit und Vertrauen schaffen müssen, seinem Rat folgen. Das Jahr 1989 gilt als das europäischste Jahr seit den Revolutionen im Jahr 1848, die einige Länder als Frühling der Völker kennen; möglicherweise kann es deshalb einen starken Impuls für eine Diskussion über die Frage geben, warum wir unsere Gemeinschaft, ihre Grundsätze und ihre Institutionen verteidigen müssen. Und wir werden besser verstehen, dass hinter den oftmals sehr technischen Debatten in Brüssel in Wirklichkeit sehr viel mehr auf dem Spiel steht.
Als prominenter Rechtsanwalt und Verfassungsrechtler wäre Roman Herzog in der Lage uns aufzuzeigen, dass Freiheit unverzichtbar ist, um einen europäischen Gemeinschaftssinn wiederaufzubauen. Ohne sie hätten alle Einheitsbestrebungen, die sich nur auf "Identität" gründen, keinen Bezug zu den bürgerlichen Freiheiten. Sie böten weder eine ausreichende Rechtfertigung noch das Handwerkszeug, um Menschenrechte oder Minderheitenrechte zu schützen. Roman Herzog war Vorsitzender des ersten Europäischen Konvents, der in den Jahren 1999-2000 die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgearbeitet hat, aus der ich den folgenden Passus zitieren - und hervorheben - möchte: "[... die Union] gründet sich [...] auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit." Mit Ihnen, Herr Präsident, wäre es viel leichter, diese Werte zu wahren und zu verteidigen. Mit der Charta hat Präsident Herzog uns ein wichtiges Werkzeug im Kampf gegen nationalen Egoismus und Populismus an die Hand gegeben. Bis zuletzt äußerte er sich zu den Grundsatzfragen der Integration. Und seine Worte hatten stets Bedeutung und wurden aufmerksam wahrgenommen.
Zugleich war Roman Herzog ein nüchterner Pragmatiker und Kritiker eines europäischen Aufbauwerkes, bei dem Europa darum kämpfte, sich von Überregulierung und dem Anspruch, alles zu vereinheitlichen, zu befreien. Er rief dazu auf, sich auf die wirklich wichtigen Fragen zu konzentrieren und somit der Verbitterung der Europäer entgegenzuwirken, die von einer Union enttäuscht sind, die sich in Dinge einmischt, die auf lokaler oder nationaler Ebene gelöst werden könnten. Er hätte sicherlich der realistischen Auffassung zugestimmt, dass Fragen der europäischen Politik immer zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Organen ausgehandelt werden müssen. Dabei kommen beiden Seiten genügend Aufgaben zu. Und man muss gewiss nicht alle Trennwände des europäischen Hauses einreißen, um diese Integration zu stärken.
Wie hier bereits erwähnt, erinnert sich jeder in Deutschland an Roman Herzogs berühmte "Ruck"-Rede aus dem Jahr 1997, darüber, dass eine wohltuende Erschütterung durch das Land gehen müsse, das, so Herzog, seine auf der Hand liegenden Vorteile besser nutzen sollte. Seine Analyse der Lage fand auch außerhalb Deutschlands weiten Widerhall. Sie lässt sich in weiten Teilen auch auf die gegenwärtige Lage der Europäischen Union übertragen. Ähnlich wie Präsident Herzog 1997 in Berlin sagen auch wir heute in Brüssel, dass es uns nicht an Ideen fehlt, sondern an der Entschlossenheit, sie umzusetzen. Ähnlich wie er streben wir nach mehr Vertrauen in unsere Fähigkeiten sowie nach Anerkennung unserer Errungenschaften. Und wir verstehen gut seine Klage, dass das deutsche Wort "Angst" bereits als Symbol einer Befindlichkeit in andere Sprachen eingeflossen sei.
Heute sollten wir dem Präsidenten versprechen, dass wir uns seine Botschaft zu Herzen nehmen und die Werkzeuge nutzen werden, die er für Europa mit geschaffen hat. Und dass "Angst" nicht für unsere heutige europäische Befindlichkeit steht. Ja, Herr Präsident, "auch durch Europa muss ein Ruck gehen".