Ich möchte einige Gedanken mit Ihnen teilen, bevor wir am Donnerstag und Freitag zur Tagung des Europäischen Rates zusammenkommen.
Zeitplan für die Oktober-Tagung des Europäischen Rates
Nach unserem traditionellen Gedankenaustausch mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments Tajani um 15.00 Uhr wird uns Ministerpräsident Ratas einen Überblick über den Stand der Umsetzung früherer Schlussfolgerungen des Europäischen Rates geben. Dann werden wir eine politische Aussprache über die externen Aspekte der Migration führen; der Schwerpunkt wird dabei insbesondere auf dem Bedarf an Finanzmitteln liegen, die erforderlich sind, um den Zustrom illegaler Migranten aus Afrika einzudämmen. Danach werden wir Schlussfolgerungen zu dem Digitalkonzept für Europa annehmen; unser Ziel ist es dabei, die ergiebige Debatte, die wir bei unserem letzten Gipfeltreffen in Tallinn geführt haben, in operative Folgemaßnahmen umzusetzen. Unsere Schlussfolgerungen zu Sicherheit und Verteidigung dürften sicherstellen, dass die im Juni entstandene Dynamik erhalten bleibt, insbesondere, was die Bemühungen hinsichtlich der Einleitung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit noch vor Ende des Jahres anbelangt. Beim Abendessen werden wir uns ausführlich mit den sehr beunruhigenden Entwicklungen in der DVRK und mit der Lage hinsichtlich Irans und der Türkei befassen. Des Weiteren wird sich Präsident Macron zu Handelsverhandlungen äußern, und Premierministerin May wird uns ihre Überlegungen zum aktuellen Stand der Gespräche über den Brexit mitteilen.
Am Freitag werden wir in einer informellen Frühstückssitzung über die Agenda der EU-Führungsspitzen sprechen. Danach werden 27 Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat zusammenkommen, um zu erörtern, wie wir in den Verhandlungen über den Austritt des Vereinigten Königreichs weiter vorgehen wollen. Ministerpräsident Ratas wird uns bei dieser Gelegenheit über den Stand der Beratungen im Rat über die Verlagerung der im Vereinigten Königreich ansässigen Agenturen informieren. Unsere Tagung dürfte gegen Mittag zu Ende gehen.
Agenda der EU-Führungsspitzen
Auf unserer Tagung in Tallinn haben wir vereinbart, eine Agenda der EU-Führungsspitzen für die nächsten zwei Jahre auszuarbeiten. Ich habe dies mit Ihnen allen erörtert und möchte jetzt darlegen, wie ich mir das weitere Vorgehen vorstelle.
Bei den Konsultationen, die ich geführt habe, ist deutlich geworden, dass wir umsetzen müssen, was wir in Bratislava und in Rom vereinbart haben, dass parallel dazu aber auch der Wille vorhanden ist, unserer Arbeit neue Impulse zu geben und sie zu bereichern, und zwar unter anderem, indem wir neue Gedanken aufgreifen. Hierbei sollten wir uns meiner Meinung nach von drei Grundsätzen leiten lassen.
Erstens sollten wir uns auf praktische Lösungen für die wirklichen Probleme der Bürgerinnen und Bürger der EU konzentrieren. Dies bedeutet Veränderungen - nicht nur um der Veränderungen willen, sondern, um den Menschen ein Gefühl der Stabilität, der Sicherheit und der Planbarkeit und den Glauben in die Zukunft zurückzugeben. In einigen Fällen kann institutionelle Innovation das geeignete Mittel sein, wir müssen jedoch darauf achten, dass wir uns nicht in unnötigen institutionellen oder theoretischen Debatten verlieren.
Zweitens sollten wir schrittweise vorgehen. In einigen Punkten sind wir weit genug, um Entscheidungen treffen zu können, hier sollten wir ohne Weiteres rasch, ehrgeizig und entschlossen handeln, um konkrete Fortschritte zu bewirken. Andere Punkte bedürfen noch weiterer Vorbereitungen, bevor wir über sie beraten können.
Drittens sollten wir die Geschlossenheit wahren, zu der wir im letzten Jahr gelangt sind. Wir brauchen diese Geschlossenheit, um die Migrationskrise bewältigen, die unfairen Aspekte der Globalisierung angehen, mit aggressiven Drittländern umgehen, den vom Brexit verursachten Schaden begrenzen und in diesen schwierigen Zeiten die regelbasierte internationale Ordnung wahren zu können. Wir können den aktuellen Ungewissheiten nur entgegentreten, wenn wir einmütig handeln; jedes einzelne Land für sich ist zu klein, um sie allein bewältigen zu können. Man mag sagen, dass ich auf Geschlossenheit fixiert bin, aber ich bin zutiefst davon überzeugt - und dies nicht nur wegen meines Amtes, sondern vor allem aufgrund meiner persönlichen Erfahrung - dass die europäische Einheit unsere größte Stärke ist.
Augenscheinlich besteht hier ein Dilemma: Wie können wir Geschlossenheit und Dynamik miteinander vereinbaren, und wie können wir die neue Energie in einer Weise nutzen, dass sie uns nicht spaltet, sondern stärkt. Nach den Konsultationen bin ich zuversichtlich, dass wir fähig sein werden, unsere Arbeit zu beschleunigen, ohne dabei unsere Geschlossenheit zu verlieren. Den allgemeinen Rahmen für unsere Entscheidungen sollten deshalb weiterhin die Tagungen bilden, an denen je nach Themen 27 oder 28 Mitgliedstaaten teilnehmen. Wie wir in der Erklärung von Rom dargelegt haben, hindert diese Vorgehensweise Mitgliedstaaten nicht daran, in bestimmten Bereichen im Einklang mit den Verträgen schneller voranzuschreiten, wobei die Tür allen offen stehen wird, die sich später anschließen möchten. Um es deutlich zu sagen, Geschlossenheit darf keine Entschuldigung für Stillstand sein, ehrgeizige Zielsetzungen dürfen aber auch nicht entzweien.
Methoden
Was die Arbeitsmethoden anbelangt, so möchte ich drei Vorschläge vorbringen.
Erstens bin ich sehr froh darüber, dass Sie bereit sind, unsere Arbeit zu beschleunigen und das Gefühl der Ohnmacht angesichts der Blockade von Ergebnissen durch politische Interessen oder bürokratische Trägheit zu überwinden. Damit dies gelingt, werde ich bei unseren Beratungen einen stärker politischen Ansatz und, wann immer es nötig ist, mehr Tagungen vorschlagen. Die direktere Befassung mit politisch sensiblen Themen und die Gewährleistung wirklicher Fortschritte setzen voraus, dass Sie bereit sind, Blockaden im Ministerrat zu überwinden. Wir haben bereits gezeigt, dass wir dazu fähig sind, beispielweise bei den robusteren Antidumpingvorschriften, auf die wir uns nun auch mit dem Europäischen Parlament geeinigt haben. Vor diesem Hintergrund werde ich eine Reihe von Debatten vorschlagen, damit wir in den sensibelsten Fragen wie Migration oder Reform der WWU den gordischen Knoten durchschlagen können.
Bekanntlich gibt es zwei Hauptgründe dafür, dass manche Fragen festgefahren sind. Der erste Grund liegt darin, dass die EU-Führungsspitzen, anstatt sich mit den anstehenden Fragen zu befassen, zulassen, dass diese irgendwo zwischen ihren Mitarbeitern oder im Entscheidungsfindungsprozess verlorengehen. Ich bin wirklich sehr erfreut darüber, dass Sie sich in Tallinn darin einig waren, dass es höchste Zeit ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Der zweite Grund sind Interessenskonflikte und gegensätzliche Auffassungen zwischen Ihnen und zwischen Ihren Regierungen, und zwar sowohl in der Sache als auch in Bezug auf die Entschlossenheit, aus der Sackgasse herauszukommen. Damit wir vorankommen und uns auf rasche Lösungen einigen können, brauchen wir eine neue Methode, bei der keine langen Redaktionssitzungen für unsere Schlussfolgerungen erforderlich sind. Daher möchte ich Ihnen eine Methode vorschlagen, bei der die Lösung wirklicher Probleme im Mittelpunkt steht. Sie setzt, wie bereits in der Agenda der EU-Führungsspitzen vermerkt, eine Reihe von Diskussionen voraus, die auf der Grundlage der von mir vor Beginn der Diskussionen erstellten Entscheidungshinweise abgehalten werden; damit werden wir auf unserer Tagung in Göteborg beginnen. In diesen Entscheidungshinweisen wird über unsere Differenzen berichtet und der Umfang von Konflikten genau beschrieben, und es wird uns damit möglich sein, eine ernsthafte, politische Diskussion zu führen. Ziel wird es sein, jeglichen Stillstand zu überwinden. Bleibt die erste Diskussion erfolglos, müssen wir entscheiden, ob wir einen neuen Versuch zur Lösung der Frage unternehmen, ober ob der einzige Weg für das weitere Vorgehen in einer verstärkten Zusammenarbeit mit den dazu bereiten Ländern, wie in den Verträgen vorgesehen, besteht.
Zweitens bestehen viele von Ihnen auf einer strikten Weiterverfolgung in Bezug auf unsere Tagungen, um sicherzustellen, dass die Beschlüsse ordnungsgemäß umgesetzt werden. In Bratislava haben wir uns darauf verständigt, den Schwerpunkt verstärkt auf die Umsetzung zu legen und hierzu beschlossen, dass der Staats- oder Regierungschef des Landes, das den Vorsitz innehat, auf jeder ordentlichen Tagung des Europäischen Rates über die Fortschritte berichtet. Ich schlage vor, diese Praxis dahin gehend zu entwickeln, dass die Berichte präziser gehalten werden und eine bessere Grundlage für die Formulierung der politischen Schlussfolgerungen für unsere Arbeit bilden. Vor diesem Hintergrund füge ich einen Überblick über die Umsetzung der Agenda von Bratislava bei. Da wir derzeit die halbe Strecke für die Bilanz in Bezug auf unsere ehrgeizigen Ziele von Bratislava zurückgelegt haben, habe ich die Agenda der EU-Führungsspitzen so konzipiert, dass sie ohne Überschneidungen mit unserer vorherigen Agenda das ergänzt, dessen gemeinsame Durchführung wir bereits beschlossen haben.
Drittens haben einige von Ihnen zu Recht hervorgehoben, dass sichergestellt werden muss, dass die zwischen uns getroffenen Beschlüsse fest in unseren nationalen politischen Rahmenbedingungen verankert sind. Sie alle sind daran gewöhnt, entsprechend Ihren spezifischen Verfassungstraditionen und politischen Gegebenheiten den Dialog mit Ihrem jeweiligen nationalen Parlament aufzunehmen und sich an die breite Öffentlichkeit Ihres Landes zu wenden. Daran werden wir nichts ändern. Wir könnten uns jedoch in der Frage, wie über Europa debattiert werden soll, auch von neuen Ideen inspirieren lassen, wie sie etwa jüngst geäußert wurden.
Im Hinblick auf die Verwirklichung unserer gemeinsamen Ziele schlage ich vor, dass wir unsere Arbeit entsprechend der beigefügten Agenda der EU-Führungsspitzen gestalten. Dabei handelt es sich selbstverständlich um ein dynamisches Dokument, das entsprechend unserem Handeln zu aktualisieren und zu erweitern ist. Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie auf unserer Diskussion am Freitagmorgen Ihre Bemerkungen und Vorschläge vorbringen würden. Ich habe allerdings keine Redaktionssitzung für die Agenda der EU-Führungsspitzen vorgesehen, sondern vielmehr einen politischen Gedankenaustausch über die Frage, wie wir unsere Arbeiten in den kommenden Monaten am besten vorbereiten. Je nach dem Ergebnis unserer Diskussion werde ich sicherstellen, dass sie im Einklang mit unserem gemeinsamen Vorstellungen vom weiteren Vorgehen überarbeitet werden.
Ich freue mich darauf, Sie alle in Brüssel begrüßen zu dürfen.
Der estnische Vorsitz hat am 18. Oktober eine vorläufige Einigung mit Vertretern des Europäischen Parlaments über eine Verordnung zur Verlängerung der geltenden Vorschriften für Luftverkehrstätigkeiten, die von der Verordnung über das Emissionshandelssystem (EHS) der EU erfasst werden, über 2016 hinaus und zur Vorbereitung der Umsetzung des globalen marktbasierten Mechanismus ab 2021 erzielt. Die vorläufige Fassung des Rechtsakts wird nun den EU-Botschaftern zur Billigung unterbreitet.
Diese neue Verordnung wurde vorgelegt, nachdem die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) im Oktober 2016 beschlossen hatte, ab 2021 einen globalen marktbasierten Mechanismus einzuführen, um die Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr über ein Ausgleichssystem, auch CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation – System für die Verrechnung und Reduzierung von Kohlendioxid in der internationalen Luftfahrt) genannt, zu begrenzen. Die EU unterstützt diese Maßnahme und will im Jahr 2021 an der "Pilotphase" des Systems, die freiwillig ist, teilnehmen.
Unterdessen muss die neue Verordnung unbedingt noch vor Jahresende angenommen werden, damit keine rechtliche Lücke in Bezug auf die Einhaltung der geltenden EHS-Verordnung im Jahr 2017 entsteht. Die heute erzielte Einigung wird eine rechtzeitige Annahme ermöglichen. Als Termin für die Berichterstattung und die Abgabe von Emissionszertifikaten für 2017 wurde der 31. März bzw. der 30. April 2018 festgelegt.
"Die EU ist der Ansicht, dass alle Flüge zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beitragen müssen. Wir unterstützen uneingeschränkt die laufenden Verhandlungen im Rahmen der ICAO für die Entwicklung eines umfassenden und einheitlichen internationalen Regelwerks, damit dies Wirklichkeit wird. Bis dahin ist die Annahme dieser Verordnung von entscheidender Bedeutung. Wir werden den Luftfahrzeugbetreibern damit Rechtssicherheit bieten und dafür sorgen, dass europäische Flüge auch nach 2016 zur Reduzierung der Emissionen beitragen."
Siim Kiisler, Umweltminister der Republik EstlandWichtigste Elemente der vorläufigen Einigung:
Es wurde auch eine Erklärung abgegeben, in der betont wurde, dass die ICAO in vollständiger Transparenz handeln und sich an alle Akteure wenden muss, um sie rechtzeitig über die Fortschritte und Beschlüsse zu unterrichten.
Außerdem haben das Europäische Parlament und der Rat Schutzmaßnahmen vereinbart, um die Integrität des EU-EHS auch dann zu erhalten, wenn die Verpflichtungen von Luftfahrtunternehmen und anderen Betreibern aus einem Mitgliedstaat enden.
Bisherige und nächste SchritteDie Kommission hat ihren Vorschlag am 3. Februar 2017 unterbreitet und ihn am 28. Februar im Rat "Umwelt" vorgestellt. Die EU-Botschafter haben am 21. Juni Einvernehmen über das Mandat des Rates für die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament erzielt. Die Abstimmung des EP im Plenum fand am 13. September statt. Anschließend nahmen die beiden Gesetzgeber am 25. September an einem ersten Trilog teil.
Sobald die EU-Botschafter grünes Licht geben, ist es am Parlament und am Rat, die neue Verordnung in erster Lesung anzunehmen. Sie wird dann am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten.
EHS und ICAO – HintergrundDas Emissionshandelssystem (EHS) wurde 2005 eingeführt, um die Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der EU zu fördern. Der Luftfahrtsektor fällt unter die geltende EHS-Verordnung. Auch der Luftverkehr leistet einen Beitrag zur Verwirklichung des Ziels der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 % gegenüber 1990 zu senken.
2014 hatte die EU beschlossen, den Anwendungsbereich des EHS auf EWR-interne Flüge zu beschränken, um die Verhandlungen im Rahmen der ICAO voranzubringen; auch hoffte sie, Klarheit zu erhalten, was die Emissionen internationaler Flüge zwischen dem EWR und Drittstaaten betrifft. Die Ausnahmeregelung für nicht EWR-interne Flüge wurde damals auf die Zeit bis Ende 2016 befristet.
Die EHS-Reform, über die derzeit verhandelt wird, betrifft den Zeitraum 2021-2030. Eine Überprüfung der Reform soll stattfinden, sobald die rechtlichen Verpflichtungen im Rahmen der ICAO in Bezug auf die Umsetzung des globalen marktbasierten Mechanismus feststehen. Auch soll Kohärenz mit dem Pariser Übereinkommen sichergestellt werden, mit dem sich die EU verpflichtet hat, ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren.
Der globale marktbasierte Mechanismus der ICAO hat zum Ziel, den Anstieg der Treibhausgasemissionen im Luftverkehr zu verlangsamen und die Werte auf dem Niveau von 2020 zu stabilisieren. Die Anwendung der Maßnahme wird für Länder mit großem Luftfahrtsektor ab 2027 obligatorisch sein, doch soll 2021 eine freiwillige "Pilotphase" eingeleitet werden.